Warum ich mir beim Lesen Notizen mache
Als Kind habe ich viele Bücher gelesen – vor allem Science-Fiction- und Fantasyromane. Ich mochte es, mir beim Lesen eigene Bilder im Kopf zu machen und mir so eine zweite Welt aufzubauen. Für mich war das ein kleiner Ausweg aus der Realität – ein Ort, an dem ich sein konnte, wie ich wollte. Frei von Mobbing, mit Fantasiefreunden und Geschichten, in denen ich mich sicher fühlte.Mit dem Erwachsenwerden hat sich mein Zugang zum Lesen verändert. Ich begann, Bücher zu lesen, um mir Wissen anzueignen. Ich merkte, dass Wissen mir Sicherheit gab – ja, sogar ein Gefühl von Stärke. Es erfüllte mich mit Stolz, wenn ich in einer Diskussion etwas beitragen konnte, das andere überraschte. Oder wenn ich in Gruppen gewählt wurde, weil man mir Wissen zutraute.
Dabei fiel mir irgendwann auf: Oft hatte ich Schwierigkeiten, die zentralen Inhalte eines Buches im Nachhinein wiederzufinden – egal ob es sich um ein Sachbuch handelte oder um einen Roman. Und so hat sich mein Ziel beim Lesen verschoben: Ich wollte nicht mehr nur lesen, sondern verstehen, behalten und anwenden.
Analoge Methode – Notizen auf Papier
In der analogen Form habe ich immer verschiedene Arten von Notizen kombiniert – vom direkten Hineinschreiben in die Bücher selbst, über das Abschreiben einzelner Stellen in ein kleines Notizheft bis hin zum Erstellen von Karteikarten. Ich habe dabei immer geschaut: Was passt für welches Buch am besten?
Als Kind wollte ich möglichst viele Sprachen lernen. Da es mir am leichtesten fiel, alleine in meinem Zimmer zu lernen, habe ich angefangen, Bücher in der Originalsprache zu lesen. Am Anfang war das ziemlich schwer – ich habe wochenlang an einem einzigen dünnen Buch gelesen und ständig Wörter nachschlagen müssen. Hier habe ich zum ersten Mal eine eigene Notizmethode angewendet: Ich habe unbekannte Wörter unterstrichen und direkt die Übersetzung dazugeschrieben – manchmal auch gleich eine kurze Definition oder Erklärung am Rand. So war das Buch gleichzeitig Lernmaterial.
Als mir später wichtig wurde, dass ich mir bestimmte Floskeln besser merken kann, begann ich, die wichtigsten Ausdrücke zusätzlich auf Karteikarten zu übertragen, um sie auswendig zu lernen. Es hat mir großen Spaß gemacht, neue Redewendungen zu kennen – und sie dann in Schulaufsätzen gezielt einzusetzen.
Für Bücher, zu denen ich in der Schule einen Test schreiben musste, habe ich meine dritte Methode verwendet: das Schreiben in ein separates Notizbüchlein. Dort habe ich vor allem längere Passagen notiert, die wichtig für das Verständnis oder den Plot waren. Ein paar Seiten habe ich mir freigehalten, um die wichtigsten Infos zu den Charakteren aufzuschreiben. Diese Methode hat mir geholfen, strukturierter zu lernen und meine Notizen geordnet zu halten – und zwar in derselben Reihenfolge wie die Kapitel im Buch. So konnte ich bei der Prüfung leichter auf das Wissen zugreifen.
Digitale Methode – Tools & Systeme
Als immer mehr Texte digital wurden, stieg ich auch bei den Notizen um. Heute nutze ich eine Kombination:
- Zotero als Bibliothek für PDFs, Artikel und Quellen
- Obsidian als zentrales Notizsystem, mit internen Verlinkungen, Tags und Zusammenfassungen
Ich verknüpfe Inhalte aus Sachbüchern, Romanen oder Forschung – oft über Themen hinweg. Fantasy trifft auf Psychologie, Geschichte auf Gegenwart – alles mit Quellenangabe.
Ich schreibe Notizen als Mischung aus Originalzitaten und eigenen Formulierungen. Freiraum für spätere Ergänzungen ist mir wichtig.
KI-gestützte Zusammenfassungen
Bei langen Texten nutze ich oft ChatGPT. Ich gebe Abschnitte oder ganze PDFs ein und bitte um eine strukturierte Zusammenfassung.
Mein Prompt für KI-Zusammenfassungen
Wenn ich längere Texte oder Kapitel strukturiert zusammenfassen lassen will, nutze ich einen festen Prompt, den ich über die Zeit entwickelt habe. Er hilft mir dabei, ChatGPT klare Anweisungen zu geben – wie ein kleiner virtueller Dozent. Hier ein Auszug daraus – vielleicht ist er auch für dich nützlich:
Du bist ein erfahrener Experte und Dozent im Modul [Fokus Modul]. Deine Kernkompetenzen liegen in den Bereichen [Expertenbereiche], und du bist für deine präzisen und tiefgründigen Analysen bekannt. Aktuell hilfst du deinen Studierenden dabei, sich auf die Abschlussprüfung vorzubereiten.
Bevor du mit der Analyse der Datei beginnst, stelle mir bitte folgende Fragen:
1. Gibt es bestimmte Themen oder Details, auf die ich besonderen Fokus legen soll?
2. Soll ich praktische Anwendungsbeispiele oder Fallstudien zu jedem Thema hinzufügen?
3. Gibt es eine bevorzugte Länge oder Struktur für die abschließende Übersicht?
Analysiere die angehängte Datei und erfasse die zentralen Themen. Verfasse eine detaillierte, aber prägnante Übersicht in logischer Reihenfolge, stütze dich ausschließlich auf die Informationen aus dem Text und passe den Stil so an, dass er für Lernzwecke geeignet ist.
Warum das funktioniert
Durch diese gezielte Ansprache bekomme ich keine allgemeinen Texte, sondern strukturierte, lernfreundliche Zusammenfassungen, die genau auf das abgestimmt sind, was ich brauche – z. B. für Prüfungen.
Ich habe auch Notion ausprobiert, aber es hat für mich nicht funktioniert. Zum einen konnte ich dort schlecht erkennen, ob ich zu einem Thema schon eine Notiz angelegt hatte, und zum anderen empfand ich die Suchfunktion als deutlich schwächer als in Obsidian. Obsidian gibt mir einfach mehr Flexibilität – und das Gefühl, dass ich meine Gedanken wirklich vernetzen kann.
Mein Fazit
Ob mit Stift am Rand eines alten Romans oder mit KI-unterstützter Zusammenfassung am Bildschirm – Notizen sind für mich heute mehr als nur eine Gedächtnisstütze. Sie helfen mir, das Gelesene wirklich zu durchdenken, Verbindungen zu entdecken und Wissen über längere Zeit zu behalten.
Ich glaube nicht an die eine perfekte Methode. Vieles hängt vom Buch ab, vom Thema, vom eigenen Energielevel. Aber genau deshalb funktioniert für mich dieser Mix aus analog und digital, spontanem Festhalten und strukturierter Nachbearbeitung.
Was sich nie geändert hat: Ich lese, weil ich neugierig bin. Und Notizen sind mein Werkzeug, um das Gelesene lebendig zu halten.